SUDO
Chapel to the TECHNOGODS.
From two rotating speakers, a voice invites the audience to a ritual: after first asking and confirming that one is ready for the techno-divine touch, and after a second confirming that the instructions will be followed, the voice leads a chosen one to kneel in front of the trapezoidal box, and to look inside the opening. A depthless green shines out from this opening. After the completion of the ritual, the chosen ones see the world in pink, proof that they have been touched by the light of the TECHNOGODS.
Various artifacts, relics, and icons from diverse cultures of the technological scene frame the ritual.
The term SUDO comes from the programming language and stands for “Super User DO”.
Recording production: Théo Pozoga
3D Print Polylactic acid, Electronics, MDF, Pine, Steel, Gold, Copper, Silicon; Dimensions Variable; 2021
SUDO.Light
SUDO rm -rf * v2
SUDO.Icon
SUDO.Big_blob_of_death
SUDO.cmos
Aus dem UdK Journal #15, Text: Marina Dafova
„Are you ready to be touched? … You’re about to be touched by the L-I-I-I-GHT … Kneel down and collect y-o-o-o-urself! … Do not divert your gaze from the l-i-i-i-ght! Dive deeper into the l-i-i-i-ght! Open your entity, FE-E-EL THE-E-E TRU-U-U-TH!“ Die vergnügt-gebieteri- sche körperlose Stimme schwebt durch den hellen Raum. Und lockt mit ihrem orthodoxen Singsang aus den rotierenden Lautsprechern den zögerlichen Beobachter, der nicht allzu lange braucht, um sich ihr hin- zugeben. Dafür wird er auch großzügig belohnt mit einem Moment der Erleuchtung. Irgendwie fühlt man sich an „Odysee 2001“ erinnert.
Was auf den ersten Blick nach einer humorvollen und ästhetisch reizvollen Arbeit aussieht, der man schnell verfällt, ist ein komple- xes post-konzeptuelles Universum im Ausdehnen. Angstfrei und anti-apokalyptisch verführt Raphael Fischer-Dieskau nicht nur sein Publikum dazu, Partner beim Experimentieren zu sein. Mit List und Lust am Spielen mit Religion, Philosophie, Sprache und Technologie bringt er Algorithmen aus der Fassung, provoziert sie und treibt sie an, gemeinsam mit ihm schöpferisch über ihre Grenzen zu gehen.
„Wir glauben, Technologie ist die Lösung für alles in unserer westli- chen Gesellschaft“, sagt er. „Sie ist unsere neue Religion. Jede hat ja ihre Götter und ihre Rituale, Reliquien. Wer die Techno-Götter aber sind, wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass sie Einfluss auf uns ha- ben. Algorithmen entscheiden über unseren Erfolg oder darüber, ob der Computer morgens funktioniert. Ein Gott ist sicher der Youtube- Algorithmus. Die Entwickler, die ihn geschaffen haben, verstehen ihn schon selbst nicht mehr, er hat sein Eigenleben entwickelt und ist zu kompliziert geworden, um seine Wege nachzuvollziehen. Oder der Fotoapparat. Vilém Flusser beschreibt in seiner Philosophie der Foto- grafie die Kamera als eine schwarze Box – sie ist ja tatsächlich eine –, die wir nicht wirklich durchdringen und die unendlichen Möglichkei- ten, die sie bietet, verstehen und beherrschen können. Das alles hat was von einer Göttlichkeit, die uns kontrolliert und leitet, ohne dass wir es merken. Eben diese Kultur und das Fehlen von kritischem Nach- denken über Technologie beschäftigt mich … so habe ich versucht, das Religiöse zu überspitzen und spürbar zu machen.“
Keine Frucht der Erkenntnis hängt zu hoch. Fischer-Dieskau ist Foto- graf, Musiker und mit den Abgründen der Innenleben wie der Ana- tomie von Computern, Chips, Material und Programmiersprache ver- traut. „Ich versuche, die Maschine zu zwingen, kreativ zu werden, indem ich sie zu Fehlern locke. Ich benutze sie also nicht, wie ich es sollte. Dadurch muss sie anfangen nachzudenken. So verleite ich den Computer dazu, digitaler Bildhauer zu werden.“ Und so sind wir privi- legiert, die Reliquien zu sehen, die er geschaffen hat – in der abstrak- ten Ästhetik des puristisch weißen 3D-Drucks: die Geburt des Chips, einen wirren Maschinentraum oder eine Ikone in Smaragdgrün und Gold mit vielen codierten Details, und der berühmte blob of death – geschmolzenes Plastik-Exkrement der Maschine selbst, der „Klecks“, der ihren fast sicheren Tod bedeutet.
SUDO heißt die Arbeit. Die Erleuchtungszeremonie selbst ist körper- gewordene Sprache. „Sudo ist ein Programmierbefehl. Muss man ei- nen Eingriff in einen Rechner machen, der potenziell gefährlich sein könnte, gibt es einen Schutzmechanismus, damit man nicht die ganze Maschine zerstört: Man gibt als Erstes den Befehl Sudo – Super User Do. Und der verleiht einem die göttliche Allmacht. Ausgangspunkt der Arbeit war, dass ein Befehl einen Computer vernichten kann, also durch reine Sprache kann man etwas Physisches unwiederbringlich zerstören. Oder auch das Leben eines anderen Menschen.“
Die Erleuchtung kommt als instant gratification und wird vom Men- schen selbst gesteuert, binär, wie digitale Technologie, wie das Internet. Drückt man den linken Knopf, beginnt die Mikro-Zeremonie, drückt man den rechten – wird sie beendet. Der kleine Körper des Heiligtums kommt, wie fast alle Bestandteile, aus dem zu Fehlern provozierten 3D-Drucker und ist kooperativ mit verschiedenen KIs entstanden. Auch die Schönheit des Prozesses und des Materials hat Fischer-Dieskau nach außen verlagert – so wie das Motherboard, das Herzstück. Dort be- ginnen und enden alle Verbindungen. Auf seinem eigenen Altar liegt die Kabelwolke, die sonst versteckt ist. Die Öffnung zum neongrünen Schein erinnert an die einer Massageliege – damit es bequem ist und weniger Licht nach außen dringt. Der Effekt der Erleuchtung (spoiler alert!) ist eine Ganzfeld-Erfahrung: Auf eine monochrome Fläche ohne Tiefe reagiert das Gehirn auf besondere Weise (der Lichtkünstler James Turrell benutzt diesen Effekt auch). Schaut man lange genug hinein, verliert man die Orientierung, den Raum, man löst sich auf in Farbe und Fläche. Schaut man wieder heraus – ist die Welt rosa. Das ist der Beweis: Man wurde berührt von den Göttern …
„Mein Anspruch an Kunst ist, dass sie die Hand ausstreckt, dass man nicht von seinem Publikum erwartet, dass es selbst die ganze Arbeit macht und erst mühsam verstehen muss, damit was passiert. Es ist eine Einladung zum konkreten Handeln. Ich möchte, dass sofort und unmit- telbar eine Verbindung entsteht, ein aktiver Kontakt und Austausch, ohne dass man es als Künstler herstellen muss. Dass man aber die Mög- lichkeit hat, tiefer einzusteigen, wenn man es möchte – und dass man dann dafür belohnt wird, dass da noch etwas mehr dahinter ist.“
Und noch einmal SUDO: „You have now been touched. Please exit.“